Egal in was fuer einer Situation ich mich befinde ~ Ich kann sie stehts verlassen. "We don't have to do this. Why don't we just leave?" ist die Frage, die ich mir zusammengebastelt habe, um mich immer wieder an diese Moeglichkeit zu erinnern, die ich allzu oft vergesse. Kurz darauf machte ich mir Gedanken darueber, wie denn ein Spiel aussehen wuerde, das ich stehts verlassen kann. Mit tomorrow is my birthday habe ich diesen Gedanken innerhalb eines Point-and-Click-Adventures in zwei Monaten umgesetzt.
Die Spielwelt besteht aus Fotos, die ich mit einem alten Handy von 2007 in Luzern und Sarnen geschossen habe. Die Hauptfigur Petal laesst sich durch diese Bilder steuern, waehrend dessen Roboterfreund Bios ihr hinterherlaeuft. Nach jedem der vier Kapiteln wird dem*der Spieler*in die Wahl zwischen zwei verschiedenen Antworten gelassen. Dies bestimmt den Ausgang von tomorrow is my birthday. Insgesamt gibt es drei Enden, sofern die Spieler*innen sich nicht dazu entscheiden das Spiel/die Reise abzubrechen:
Petal ist 16 und moechte die Stadt verlassen, um den eigenen Geburtstag nicht mitzuerleben muessen. Die Spieler*innen haben dennoch immer die Moeglichkeit wieder nach Hause zu gehen und die Reise abzubrechen. Falls sie sich dazu entscheiden, schliesst ein Text die Geschichte ab. Dieser Text ist immer ein anderer – je nachdem wie spaet die Spieler*innen sich dazu entscheiden sollten, wieder nach Hause zu gehen.
Damit gebe ich den Spieler*innen explizit die Entscheidung darueber, wann das Spiel zu Ende ist. Die Beziehung zwischen Spiel und Spieler*in ist damit ungleich: Spieler*in ist Subjekt und Spiel ist Objekt. Das spiegelt auch die Erfahrung von Petal wieder: Petal wird in der Schule gemobbt (also als Objekt angesehen). Kurz vor Spielbeginn ermordet Petal jemanden aus der Klasse aus Affekt und wechselt damit in die Rolle des Subjekts. Die Debatte um Objekt und Subjekt intensiviert sich ueber den Spielverlauf hinweg zwischen Petal und dem Roboterfreund Bios, der bloss ein Objekt unter Objekten sein moechte.
Mit der Maus koennen verschiedene Objekte auf dem Bildschirm angeklickt werden, woraus ein Dialog zwischen Petal und Bios entsteht. Die Objekte habe ich mit einem Oekaki-Tool gezeichnet, das an das fruehe Web der 2000er erinnert. Damit wollte ich einen Nostalgie-Faktor bei den Spieler*innen erzeugen, den sie an ihre eigenen ersten digitalen Zeichnungen am Computer erinnern soll.
Die Dialoge finden in einem Textfenster statt und sind eher poetisch geschrieben. Dieser Stil wird mit ploetzlich knappen Antworten des Gegenuebers durchbrochen, was die Spieler*innen spueren laesst, dass zwischen der Beziehung zwischen Petal und Bios etwas nicht stimmt. Mit jedem Mausklick zum naechsten Dialogfenster ertoent ein zufaelliger Ton von etwa 30 Gitarrentoenen, die ich zuvor aufgenommen habe. Die Toene vermischen sich mit der Hintergrundmusik des Spiels, was zu harmonischen oder dissonanten Tonlagen fuehren kann. Genau so wie sich eine tiefe aber angespannte Freundschaft anfuehlt.
Zwischen dem Wechsel der Bilder werden kurze Videos abgespielt, die ich mit einer alten Digitalkamera aufgenommen habe. Zu sehen sind oft Blumen und anderweitige Natur. Ein Freund hat fuer mich Saetze eingesprochen, die in den Videos abgespielt werden. Die Spieler*innen erfahren so bruchstueckweise, was Petal wirklich getan hat.
Fuer tomorrow is my birthday habe ich mich mit der Engine Godot und ihrer Programmiersprache GDScript auseinandergesetzt. Bis auf das Dialogtool habe ich hier alles selbst gecodet.
Spielziel ist den Ausgang aus dem Foto mit dem Mauszeiger zu finden und die Spielfigur mit den Pfeiltasten dorthin zu bewegen.
Petal und Bios habe ich analog gezeichnet und eingescannt. Die Animationen sind innerhalb von Godot entstanden.
Zum ersten Mal habe ich fuer ein Spiel Freund*innen um Hilfe gebeten. Ich habe jemanden um passende Hintergrundmusik gefragt und mit ihr erarbeitet. Jemand anderes habe ich um Voice Acting gebeten und jemand drittes fuer das Titel-Artwork. Hier konnte ich wertvolle Erfahrungen darueber sammeln, wie ich anderen meine Wuensche verstaendlich kommunizieren kann. Bis auf diese Dinge und das Dialogsystem habe ich alles selber gecodet, gezeichnet, geschrieben und ausgedacht. Es war super!